Rechtsradikale wissen, was richtig ist, und Olaf Scholz vertraut voll auf ihre demokratische Kompetenz

Das aber nur dann, wenn sie in der israelischen Regierung sitzen.

Für mich war das, was die jüdische Schriftstellerin Deborah Feldmann gestern Abend bei Markus Lanz sagte, ein Erweckungserlebnis.

Die israelische Regierung und ihre Unterstützer verfahren nach dem biblischen Auge-um-Auge- und Zahn-um-Zahn-Prinzip. Das führt zu einer ewigen Kettenreaktion sich weiter steigernder Gewalt.

„Es wurde immer wiederholt: ‚Es gibt keinen Kontext, keine Rechtfertigung, keine Erklärung für diese Gewalt [die von HAMAS ausgeht]‘. Im selben Atemzug sagen wir: ‚Es gibt einen Kontext für die Gewalt gegen Palästinenser.'“

Aus ihrer Sicht gibt es nur eine „einzige legitime Lehre des Holocausts“: „Die absolute, bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle.“ Das gilt aber im Moment nicht im gleichen Maße für die Palästinenser im Gazastreifen.

„Schwarze Leben zählen“, hieß es nach der Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA. „Aber die hätten ja angefangen“, verteidigen sich die betreffenden Polizisten. Das ist die gleiche Logik wie heute im Gazastreifen. Aber für diesen Anfang gibt es wieder andere Anfänge. Ich habe darauf hingewiesen. Wird der entsetzliche Mord an unschuldigen jüdischen Babys besser, wenn die 10-fache Anzahl palästinensischer umgebracht wird? Nein! Ganz und gar nicht. Es wird alles nur schlimmer. „(Menschen)Leben zählen“, egal welche.

Feldmann kritisiert, dass Jüdinnen wie sie in Deutschland nicht gehört würden:

„Ich bin entsetzt darüber, wie Juden im Prinzip hier nur als Juden gelten können, wenn sie das rechtskonservative Vorhaben der israelischen Regierung darstellen. Ich bin entsetzt, wie wir behandelt werden dürfen.“

An Vizekanzler Habeck gewandt, sagt sie: „Sie schützen Juden in diesem Land selektiv.“

Ein Kommentar zu “Rechtsradikale wissen, was richtig ist, und Olaf Scholz vertraut voll auf ihre demokratische Kompetenz”

  1. Karl sagt:

    Was ich noch dazu gelesen habe

    Es schreibt mir ja keiner einen Kommentar. Dann muss ich es selbst tun. In der schweizerischen „Weltwoche“ Nr. 43.23 habe ich einen Artikel gelesen – „Palästinas Tragödie. Leidensgeschichte eines Volkes: Die andere Sicht auf den Nahost-Konflikt, S. 24ff. – , der die Verkettung israelischer und palästinensischer Gewalt in ihrer Gänze darstellt. Er beschreibt Tatsachen, ohne sie sofort selbst gleich emotional zu bewerten. Ich weiß, das ist die Quadratur des Kreises: Selbstbetroffene, deren Familienangehörige in die Barbarbei der sich aufschaukelnden Verkettung von Gewalt und Gegengewalt geraten sind, können das nicht, beim besten Willen nicht.

    Aber Politiker sollten das können. Das ist ein entscheidendes Merkmal ihrer Professionalität. Ein Großteil der Politiker, die heute in Deutschland die Verantwortung tragen, verfügen über diese Professionalität nicht, gerade Herr Scholz nicht, der immer so unaufgeregt sachlich tut. Es ist umso schlimmer, wenn mit dieser Attitüde die Wahrheit verkürzt und auf das emotional Angesagte zurechtgestutzt wird.

    „Amira Hass, Tochter israelischer Holocaust-Überlebender, fürchtet gar, der ‚Blankoscheck zum Zerstören und Töten‘, der Israel etwa von Kanzler Scholz gegeben worden sei, könnte letztendlich Israels Existenz gefährden. ‚Ihr Deutschen habt längst eure Verantwortung verraten […] für den Mord an den Familien meiner Eltern […] durch eure uneingeschränkte Unterstützung für ein Israel, das besetzt, kolonisiert, Menschen Wasser vorenthält, Land stiehlt, zwei Millionen Menschen in Gaza in einen überfüllten Käfig sperrt, Heime zerstört, ganze Gemeinden aus ihren Häusern vertreibt und Siedlergewalt ermutigt‘, mahnt sie und zitiert ihren Vater, einen ‚Überlebenden deutscher Viehwagen‘: ‚Es stimmt, es ist kein Genozid, wie wir ihn durchmachten, aber für uns endete es nach fünf oder sechs Jahren. Für die Palästinenser geht das Leiden weiter und weiter, seit Jahrzehnten.‘ (‚Germany, You Have Long Since Betrayed Your Responsibility‘, Haaretz vom 16.10.2023)“

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